Drei Freistaaten
- brisieno
- 6. Apr. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Feb.
Tag 2, 27km, 7,5 Stunden
Trogen – Mödlareuth – Töpen


Puh, lange Strecke heute, langsames Tempo - aber sehr schön.
Am Start habe ich ein bisschen abgekürzt, weil ich die 2km Asphalt von gestern nicht wieder bergauf laufen wollte. Kolonnenweg war natürlich auch heute angesagt, aber auch viel mehr Waldwege. Immer noch kalt und immer noch Sonne, was in einem leichten Sonnenbrand von Nase und Wangen resultiert - bin ja mit Stirnband und Schal sonst eingepackt.
Dreiländereck war gestern - heute hieß es Treffpunkt der drei Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen. Ich stehe in Sachsen und Thüringen, Li befindet sich in Bayern!

Dann mein heutiges Zwischenziel: Mödlareuth und das deutsch-deutsche Museum dort, da der Ort 40Jahre lang geteilt war - keine Besuche, kein Winken zu den Verwandten - nichts war erlaubt. Wie unvorstellbar – und wie großartig, dass das Geschichte ist!


„Klein-Berlin“ – das geteilte Dorf Mödlareuth
Schon seit dem 19.Jahrhundert war Mödlareuth ein Grenzort – damals unterstand der Ort auf der einen Seite des Tannbachs dem Königreich Bayern, auf der anderen dem Fürstentum Reuß.
Mit der Zonenaufteilung nach dem 2.Weltkrieg wurde der Tannbach plötzlich „Grenzfluss“ zwischen Ost und West. Mit Gründung der beiden deutschen Staaten war es anfangs noch möglich mit Passierschien und „Kleinem Grenzschein“ die Nachbarn (und Verwandten) zu besuchen, ab 1952 war damit Schluss. „Entlang der Demarkationslinie wurde ein 10 m Kontrollstreifen angelegt, bei dessen Betreten von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden konnte. Die DDR ließ das grenznahe Hinterland in einen 500 m Schutzstreifen und eine 5 km Sperrzone unterteilen.“ In dieser Zeit begannen die Zwangsumsiedlungen, von denen auch viele Bewohner Mödlareuths getroffen wurden. Manch einer rettete sich mit einem gewagten Sprung aus dem Fenster in den Westteil, während das Evakuierungskommando schon im Haus war.
Zunächst noch ein hoher Bretterzaun wurden die Grenzanlagen immer mehr ausgebaut – Stacheldraht an Betonsäulen – bis 1966 eine 700m lange und 3,30m hohe Betonsperrmauer gezogen wurde. Auch ein Blickkontakt von Ost nach West sollte verboten werden, winken oder grüßen zur Familie gegenüber waren nicht erlaubt.
Diese vollständige Abriegelung machte es auch nach dem Fall der Berliner Mauer schwierig, erste Besuche waren nur auf Umwegen möglich. Am 8.Dezember wurde eine Öffnung in die Mauer geschlagen und es folgten „stürmische Begrüßungsszenen“. „Nach 37 Jahren trennten Mauer und Stacheldraht nicht mehr. Volksfestartige Stimmung und ausgelassenes Feiern bei Bier, Glühwein, Sekt und thüringischen Bratwürsten prägten jenen Tag in Mödlareuth bis in die Nachtstunden hinein. Doch das Tor in der Mauer blieb zunächst nur von 08.00 bis 22.00 Uhr geöffnet. Nachts wurde es von den DDR-Grenztruppen wieder verschlossen.“ Im Juni 1990 erst erfolgte der Abriss.
Der Alltag wird seitdem wieder gemeinsam begangen, aber Mödlareuth hat weiterhin zwei Bürgermeister – einen bayrischen und einen thüringischen.
Das lustigste war allerdings, dass ich als erstes auf dem Museumsgelände norwegisch gehört habe! Die musste ich natürlich ansprechen. :-) Wenn man Norweger beeindrucken kann, dann mit fließendem Norwegisch und dass man die gesamte ehemalige Grenze wandern will. (Die haben das per geführter Wohnmobiltour gemacht.)
Für die Unterkunft musste ich noch ein paar Kilometer extra laufen, aber die haben sich gelohnt: sehr hübsches Zimmer und v.a. eine Badewanne! Die wurde natürlich gleich genutzt. Und danach gab es lecker Rührei von einer sehr herzlichen Wirtin.
"Das Geheimnis des Vorwärtskommens besteht darin, den ersten Schritt zu tun." (M.Twain)
Für jeden Wanderabschnitt habe ich mir ein Zitat zum Thema wandern oder Grenze ausgesucht, um mich unterwegs damit zu beschäftigen. Gestern hat natürlich alles mit dem ersten Schritt begonnen auf den gesamten Weg betrachtet. Dennoch beginnt jeder Tag immer wieder mit einem neuen ersten Schritt (der heutige Weg vom Bett ins Bad war noch vom Muskelkater geprägt) in ein neues Abenteuer oder in den Alltag. Wenn das Ziel klar ist, fällt der erste Schritt meistens leichter, als wenn ich ins Unbekannte gehe.
Unterkunft: Ambiente Hotel in Töpen***
Vom Wald her kommend, erwartet man nicht, dass da überhaupt noch ein Hotel kommt
Sehr schickes Hotel, tolles Zimmer mit Badewanne, einfaches aber leckeres Abendbrot und gutes Frühstück




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